In der Psychotherapie

2. Um mit den unerwünscht auftauchenden Gedanken und Gefühlen angemessen umzugehen, ist es hilfreich, sich folgende Frage zu stellen: Warum treten gerade dann, wenn ich es am wenigsten gebrauchen kann – etwa wenn ich gerade zur Ruhe gekommen bin – unerwünschte Gedanken und Gefühle auf, die darauf drängen, betrachtet, durchdacht und verarbeitet zu werden? Eine mögliche Antwort lautet, dass wir Menschen über ein Selbstheilungssystem verfügen, das nicht nur auf rein körperlicher Ebene wirkt, beispielsweise wenn eine Schnittwunde heilt, sondern auch auf der psychischen und geistigen Ebene.

Wenn wir unserem „Unbewussten“ daher Zeit und Raum gewähren, beginnt es automatisch, Dinge an die Oberfläche zu bringen, damit sie betrachtet, akzeptiert und letztendlich geheilt werden können. Wie sollten wir also mit aufsteigenden Gedanken und Gefühlen umgehen? Sollten wir sie im Rahmen des Heilungsprozesses zulassen und ausführlich betrachten oder sie als störend ablehnen?

Ein mittlerer Weg erweist sich hier als hilfreich, auf dem die Meditierenden aus einer Haltung liebevollen und achtsamen Umgangs mit sich selbst die aufsteigenden Dinge – sei es Angst, Aggression oder lebensgeschichtliche Verletzungen – kurz dankbar annehmen, um dann rasch zur Wahrnehmungsmeditation zurückzukehren. Mit dem Fortschreiten des Prozesses der „liebevollen Selbstannahme“ kann sich ein Zustand einstellen, der die Meditierenden für die dritte Vertiefungsstufe der Wahrnehmungsmeditation öffnet.

3. In der dritten Stufe der Wahrnehmungsmeditation ist das Innere bereits zur Ruhe gekommen. Gedanken und Gefühle ziehen angenommen, ohne zu stören, vorüber, wie Wolken an einem Berg. Durch eine absichtslose Anschauung können Weisheit und Erkenntnis aus der Tiefe des Geistes aufsteigen. Die Wahrnehmung erweitert sich über die des Körpers und des eigenen Unbewussten hinaus. Menschen mit religiösem Hintergrund vertrauen darauf, dass Gott selbst in der Meditation wirkt und den Menschen in seinem inneren Entwicklungsprozess liebevoll führt.

Therapeutische Effekte einer ganzheitlichen Wahrnehmungsmeditation

Durch die Praxis einer ganzheitlichen Wahrnehmungsmeditation (Körper-Psyche-Geist-Achtsamkeitsmeditation) erleben die Übenden positive Körpererfahrungen, entwickeln eine verbesserte Körperwahrnehmung und somit eine stärkere Körperpräsenz. Aus der Kraft dieses bewussten „Bei-sich-seins“ können Gedanken und Gefühle aus einer Distanz betrachtet werden. Im weiteren Verlauf der „liebevollen Selbstannahme“ können dann Heilungsprozesse auf lebensgeschichtlicher Ebene stattfinden oder angestoßen werden.

II) Itto-den Shinki Toho Kenjutsu (Schwert)

Shinkiryu Aiki Budo – Erweiterungen in der Psychotherapie (exemplarisch)

Text: Marius Trzaski

In allen fünf Disziplinen des Shinkiryu Aiki Budo (Meditation, Kenjutsu, Daitoryu Aiki Jujutsu, Aikido und Ki-Übung/Qi Gong) existieren zahlreiche Bewegungs-, Haltungs- und Verhaltensprinzipien, die unterstützend in verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen Anwendung finden können. Einige dieser Prinzipien sowie ihre psychotherapeutischen Effekte für die Anwendung im Alltag werden hier exemplarisch beleuchtet.

 

I) Meditation

Es gibt diverse Meditationsarten, die religiös, kulturell und weltanschaulich unterschiedlich gedeutet, definiert, gelehrt und praktiziert werden. Beispiele hierfür sind: a) die christliche Meditation, auch Kontemplation genannt, die auf Gott bzw. Christus ausgerichtet ist; b) die buddhistische Meditation (Zen-Buddhismus, tibetischer Buddhismus und die traditionelle, auf den historischen Buddha zurückgehende Meditation des Mitgefühls) und c) verschiedene Yogameditationen mit Ursprung in Indien.

Innerhalb dieser Meditationsarten existieren wiederum viele passive und aktive Ausführungsmöglichkeiten wie Punktmeditation, Gehmeditation, analytische Meditation, Achtsamkeitsmeditation, geführte Meditationsarten (Traumreise/Visualisierungen), Atem-Meditation, Objekt-Meditation, Rosenkranz-Meditation etc.

Für therapeutische Unterstützung eignen sich besonders Meditationen, die eher religiös neutral und einfach umzusetzen sind. Hierbei erweist sich die ganzheitliche Wahrnehmungsmeditation (Körper-Psyche-Geist-Achtsamkeitsmeditation) als äußerst hilfreich. Diese bildet mit ihren drei Vertiefungsstufen auch die Grundlage des Meditierens im Shinkiryu Aiki Budo und kann von Menschen mit oder ohne religiösen oder spirituellen Hintergrund praktiziert werden.

1. In der ersten Stufe der Wahrnehmungsmeditation konzentrieren sich die Meditierenden auf ihren Körper, beispielsweise auf den Atem, die Hände oder ihre aufrechte Sitzhaltung. Nach einer gewissen Zeit stellt sich ein wohltuender Zustand von Wahrnehmung und Entspannung ein. Viele Menschen üben diese Körper-Wahrnehmungsmeditation bereits mehr oder weniger unbewusst aus, wenn sie beispielsweise im Urlaub oder während eines Spaziergangs die Sonne, den Wind auf ihrer Haut oder einen angenehmen Geruch im Wald genießen.

Leider wird dieser wohltuende Zustand, abhängig von der Konzentrationsfähigkeit, dem Gemütszustand oder der Situation, oft durch Gedanken oder Gefühle gestört. Diese tauchen zunächst aus dem Kurzzeitgedächtnis auf und steigen dann aus den tieferen Bewusstseinsschichten auf, was die Meditierenden aus dem Wahrnehmungszustand herausführt. Der Umgang mit diesen zunächst „störenden“ Gedanken und Gefühlen wird in der zweiten Stufe der Wahrnehmungsmeditation geübt.